Interview mit Victor Thiele

"Ich verstehe mich als Motivator, der seinen Schüler*innen durch Erfolgserlebnisse ein positives Körper- und Lebensgefühl vermittelt, was nahezu automatisch zu einer sanften und nachhaltigen Verbesserung sämtlicher Lebensbereiche führt."

Freitag,   |   Geschätzte Lesedauer: 8 Minuten

Das ist unser Interview mit Victor Thiele, ein Yogalehrer und Personal Trainer in Berlin. Geboren wurde Victor in Bad Arolsen, Hessen. Er lebte lange in Köln und Düsseldorf und arbeitete als Studioinhaber, Yogalehrer und Personal Trainer in Berlin. Zu seinen Schwerpunkten zählen Yoga in Kombination mit Entspannungstechniken und Meditation.

Seit wann unterrichtest Du Yoga und warum hast Du Dich ursprünglich dafür entschieden, Yoga-Lehrer zu werden?

Als junger Mann und Model hatte ich sowohl ein persönliches als auch berufliches Interesse daran, meinen eigenen Körper fit und attraktiv zu halten. Stresssymptome veranlassten mich 1999 dazu, Yogastunden zu nehmen.

Schnell wurde klar, dass die Auseinandersetzung mit Körper und Geist für mich mehr als ein Freizeitausgleich war und dass ich von meinem eigenen Berufsleben mehr erwartete, als oberflächliche Schönheit und Geld.

2003 verließ ich deshalb die Modebranche, um eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann zu beginnen. Auch hier ließ mich das Yoga-Thema nicht los und so absolvierte ich ein freiwilliges sechsmonatiges Praktikum in Europas größtem Yoga-Ashram in Bad Meinberg.

Nach dieser Zeit wandelte sich mein Leben stetig und nachhaltig. Statt an den Wochenenden mit meinen Freunden in Clubs die Nächte durchzufeiern, wurde die Yogamatte immer öfter mein Dancefloor. Nach und nach wurde der schnelllebige, urbane, typisch berlinerische Lebensstil für mich uninteressanter und der meditative Lebensstil eines Yogi bereichernder und zufriedenstellender.

Nach meiner ersten Yogalehrerausbildung fing ich im Jahr 2008 an, zu unterrichten und gründete yogafürdich. 2009 entschloss ich mich, eine weitere Yogalehrerausbildung bei Patricia Thielemann (Spirit Yoga Berlin) zu absolvieren. Heute unterrichte ich Power Vinyasa Flow Yoga, Hatha Yoga und Yin Yoga in Gruppen, auf Yoga Reisen und begleite Klienten als Personal Trainer und Meditationscoach.

Gestresste Büromenschen buchen mich ebenso wie Künstler, DJs und Nachtmenschen. Nicht zuletzt durch meine eigenen Erfahrungen, bin ich ein konsequenter und dennoch verständnisvoller Coach, der seine Klienten dabei unterstützt, ein erfülltes, gesundes und glückliches Leben zu führen – ohne dabei missionierend oder gar spaßfeindlich ins Leben meiner Klienten einzugreifen.

Ich verstehe mich als Motivator, der seinen Schüler*innen durch Erfolgserlebnisse ein positives Körper- und Lebensgefühl vermittelt, was nahezu automatisch zu einer sanften und nachhaltigen Verbesserung sämtlicher Lebensbereiche führt.

Meine offenen Yoga-Klassen sind eine besondere Herausforderung für Körper und Geist: Abwechslungsreich und auf ein bestimmtes Stundenthema ausgerichtet, fokussiere ich meinen Unterricht auf Konzentration, Atmung, Bewegung und heilsame Ausrichtung in den Yoga-Stellungen. Power Vinyasa Flow Yoga zeichnet sich durch fließende Übergänge zwischen den einzelnen Yoga-Stellungen aus – körperlich schweißtreibend und geistig anspruchsvoll.

Besonders viel Zulauf erfahren Yogaschulen in Großstädten. Hat das etwas mit der hektischen Lebensweise in Großstädten zu tun oder sind Großstädter generell offener gegenüber “neuen Trends”?

Ich nehme an, beides trifft zu. Menschen auf dem Land haben einfach bessere Luft zum Atmen, mehr Natur, weniger Lärm, mehr Platz… In den Großstädten hingegen nehmen der Stress und die Arbeitsleistung stetig zu.

Ein großer Punkt für den Erfolg von Yoga ist auch die Yoga-Community der einzelnen Studios. Über die Jahre des gemeinsamen Yoga-Übens werden Freundschaften geschlossen, manchmal sogar Ehen.

Netzwerke bilden sich, man kennt sich und fühlt sich nach einem anstrengenden oder einsamen Tag am Rechner (Stichwort: Homeoffice), als würde man im Studio Zuhause ankommen.

Man übt gemeinsam Yoga, trinkt davor einen Tee, tauscht sich aus oder geht nach der Yogastunde gemeinsam etwas essen. Diese Geselligkeit will man natürlich irgendwann nicht mehr missen. Man überlegt dann nicht mehr: „Gehe ich zur Yogastunde oder gehe ich nicht?“. Man tut es einfach.

Dass Yoga von den Medien immer noch als „neuer Trend“ bezeichnet wird, ärgert mich schon seit Jahren. Wann verstehen Journalisten endlich, dass Yoga in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist? In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Yogakurse. Diejenigen, die Yoga eine Zeit lang regelmäßig üben, bleiben meistens ihr ganzes Leben dabei.

Wie gut sind die Yogalehrer*innen untereinander vernetzt? Gibt es Plattformen zum Austausch, auf denen man Erfahrungen und Wissen teilen kann?

Grundsätzlich sind Yogalehrer*innen gut vernetzt, wenn sie sich selbst um das Netzwerk kümmern. Erste Kontakte knüpft man gleich in der Yogalehrer-Ausbildung. Diese persönlichen Kontakte zu anderen Yogis und Lehrer*innen finde ich am wichtigsten. Facebook ist natürlich auch beim Netzwerken hilfreich.

Ich selbst bin nicht so häufig in den Yoga-Kreisen unterwegs, weil ich mich dann oft zu sehr gegängelt fühle, was man als Yogalehrer darf und was nicht. Ich bin ein echter Freigeist und sehr kreativ, daher ist yogafürdich auch so erfolgreich. Weil ich aus allen möglichen Ecken Ideen und Inspirationen sammle.

Du bietest mit yogafürdich seit diesem Jahr Ausbildungen an. Welche inhaltlichen Schwerpunkte hat eure Ausbildung und an wen richtet sie sich?

Unser Ausbildungsteam besteht aus Frauke Schroth, Sandra Winkens und mir. Plus weiteren Gastdozenten, die wir zu bestimmten Themen wie Stimmbildung, Philosophie und Anatomie einladen. Wir waren absolut überrascht, dass die Ausbildung nach ein paar Monaten restlos ausgebucht war.

Die Ausbildung ist eine ganz klassische Yogalehrer-Ausbildung mit dem Fokus, Power Vinyasa Flow Yoga unterrichten zu können. Wichtig ist die eigene, innere Arbeit mit sich selbst. Es geht darum, Fragen und (eigene) Antworten zu finden: Wie schöpfe ich mein Potential aus? Wie entwickle ich eine Yogalehrer-Persönlichkeit, die mir nicht von außen übergestülpt wurde?

Mir selbst ist natürlich eine gute Grundausbildung wichtig, die ich den Studenten angedeihen lassen möchte. Meint: Wie leite ich Yogastunden sicher und vor allem heilsam an. Die Ausrichtung in den Yoga-Posen ist mir immer ein besonderes anliegen, damit Yoga zur Gesundung und zur Gesunderhaltung beiträgt.

Grundsätzlich kann jeder Interessierte die Ausbildung absolvieren. Wir haben bemerkt, dass es einen Trend dazu gibt, nicht unbedingt als Yogalehrer*in nach der Ausbildung zu arbeiten, sondern, dass viele Teilnehmer*innen die Ausbildung als Yoga-Intensivtraining wahrnehmen möchten.

Es geht darum, sich ein knappes Jahr mit Yoga-Philosophie, Anatomie und yogischer Lebensweise auseinanderzusetzen, um die eigene Yogapraxis zu vertiefen und zu verbessern, Krisen besser zu meistern und die Persönlichkeit zu entwickeln.

Eine eigene Online-Präsenz hat in den letzten Jahren auch für Yoga-Lehrer*innen an immer größeren Bedeutung gewonnen. Wie wichtig ist Deine Website für Dich, um Yoga-Interessierte zu erreichen und über das Angebot zu informieren?

Sehr wichtig. Für mich war die Erstellung einer Website eines der ersten Projekte die ich realisierte, als ich mich entschied, meine eigene Yogaschule zu gründen.

Man sollte jedoch nicht vergessen, dass ein ganz großer Teil der Gesellschaft immer noch offline lebt. So achte ich stets darauf, On- UND Offline-Marketing zu praktizieren. Es werden immer noch sehr viele Menschen durch Flyer und Aufsteller auf der Straße auf unser Angebot aufmerksam.

Das sollte man bei der Budgetplanung beachten. Und auch, dass kontinuierlich Werbung für das Studio gemacht werden muss. Offline, aber auch Online – über Google Ads und Facebook Ads. In einer dynamischen Stadt wie Berlin, in die ständig neue Bewohner ziehen und andere wiederum wegziehen, ist das unabdingbar.

Warum hast Du Dich dazu entschieden, eine Yoga-Verwaltungssoftware zu nutzen? Gibt es einen Richtwert, ab wann eine Software-Lösung für Yogaschulen sinnvoll ist (z.B. Teilnehmerzahl oder Anzahl der Kurse)?

Ich wollte es für unsere Kunden und Lehrer*innen einfacher machen, unsere Produkte zu kaufen und das Check-In Prozedere zu verwalten. Wir sind nun fast seit einem Jahr in diesem Umstellungsprozess. Ab wann es sinnvoll ist, kann ich nicht sagen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die digitale Welt eher verkompliziert als vereinfacht.

Wie wichtig sind die sozialen Medien für Dich als Yoga-Lehrer und welche nutzt Du aktiv?

Grundsätzlich sind soziale Medien sicher hilfreich, um ein Studio oder Yogalehrer*innen bekannter zu machen. Aus meiner jahrelangen Erfahrung kann ich aber behaupten, dass die sozialen Medien überbewertet werden. Manchmal sind sie sogar am Erfolg hinderlich.

Beispiel: Ich bin Yogalehrer, trinke aber auch gerne ein Glas Wein oder eine Tasse Kaffee und übe mit Leidenschaft CrossFit. Wenn ich das bei Facebook in einem Post thematisiere, stecke ich verbale Prügel ein, weil viele Yogis mit der Tatsache nicht klar kommen, dass Yogalehrer ganz normale Menschen sind und keine Heiligen.

Viele stilisieren ihre Yogalehrer*innen gerne zu Halbgöttern hoch und sind dann enttäuscht, wenn sie dieses „Vorbild“ mit einem Schokoriegel im Mund erwischen. Sie suchen sich dann ein anderes Studio oder eine*n anderen Lehrer*in, wo sie dann bis zur nächsten Enttäuschung bleiben.

Denn ich bin da sehr schnell aus dem ganzen Kommentieren und Gegenkommentierten ausgestiegen, als ich merkte, ich müsste mich in den sozialen Medien aber auch in den Yogastunden verstellen. Ein weiterer kritischer Punkt: Es kostet einfach sehr viel Zeit, sich in sozialen Medien zu bewegen. Zeit, die ich lieber auf der Yogamatte verbringe.
Wie sich Yogalehrer on- oder offline darstellen, ist natürlich jedem selbst überlassen.

Ich gehe eher auf Konfrontation und rede in meinen Yogastunden und auch in den Posts bei Facebook geradlinig und Tacheles. Daher sind meine Schüler*innen selten die klassischen Yogis, sondern eher normale Menschen wie Du und ich, die einfach Yoga üben wollen.

Das war unser Interview mit Victor Thiele. Wenn du dich für die Meinung anderer Experten aus dem Yoga-Bereich interessierst, lies unsere andere Interviews:

  1. – Interview mit Friederike von Schwanenflug
  2. – Interview mit Ramona Scheiding
  3. – Interview mit Anastasia von Yogalidou

Beitragsbild-Quelle: https://www.yfdberlin.com/team/yfd-portraits-victor-thiele/

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